siesta

Aargauer Zeitung, Nordwestschweiz, Kultur

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Bei dieser Siesta schläft niemand
Tanz, Die Tanzcompagnie Flamencos en route feiert ihr 30. Jubiläum in der Alten Reithalle Aarau mit «siesta»
Zikaden zirpen, die Luft ist stickig, es riecht nach Holz in der Alten Reithalle, Aarau. In der Mitte der Halle sind im gelben Gegenlicht, auf Stühlen sitzend, die Silhouetten dreier Männer auszumachen. Zaghaft beginnen sie zu wippen. Zu den drei Männern gesellen sich drei Frauen, die sich auf der in orangegrünes Licht getauchten Fläche vor der Zuschauertribüne an grosse, geometrische Eisenskulpturen schmiegen. Alle sechs Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie Flamencos en route zücken spanische Fächer und schlagen mit diesen einen Rhythmus, in den die Musiker einstimmen.
Traum und Wirklichkeit
Die Einstiegsszene von «siesta», dem Programm zum 30. Jubiläum der Tanzcompagnie unter der Leitung von Gründerin und Choreografin Brigitta Luisa Merki, bringt eine ungewohnte, mediterrane Stimmung in die Alte Reithalle Aarau. Die Nachmittagshitze drückt, die Bewegungen fallen schwer und das Bedürfnis, sich hinzulegen und zu dösen, wächst. Von diesem dämmrigen Bewusstseinszustand inspiriert, choreografiert Merki während, des rund anderthalb Stunden dauernden Programms verschiedenste Bilder, die sich zwischen Traum und Wirklichkeit bewegen. In ihrer Ansprache erzählt sie, wie sich die Kreativität eines früheren Mitarbeiters erschöpfte, wenn er um seinen nachmittäglichen Schlaf gebracht wurde. Wurde ihm die Erholung jedoch gegönnt, sprühte er nur so vor Ideen.
Die Vielfalt der Dialoge während des Stücks scheint schier grenzenlos: Tänzerinnen und Tänzer interagieren als Paar, in der Gruppe, reagieren auf die Musiker oder umgekehrt. Die Stimmen von Karima Nayt, Rocio Soto und Pedro Obregon verstärken die Stimmungen und geben ihnen Tiefe. Während in der ersten Hälfte den Gedanken viel Raum gewährt wird; um umherzuschweifen, und die Melancholie überwiegt, nimmt das Stück gegen Schluss an Tempo zu und die «siesta» wird zur «fiesta». Die gedankenverlorenen Blicke der Tänzerinnen und Tänzer weichen, sie lachen und scherzen miteinander.
Das eigens für die Alte Reithalle Aarau konzipierte Jubiläumsprogramm überzeugt durch seine atmosphärische Dichte.

Franziska Monnerat, Aargauer Zeitung, Nordwestschweiz, Kultur, 23.09.2014


Vorschau, Aarauer Nachrichten

Machen Sie mal Siesta!
Aarau Eine Kreation zum 30-jährigen Jubiläum von Flamencos en route
Seit 30 Jahren ist Flamencos en route als Tanz- und Musikcompagnie mit einer einzigartigen, unverwechselbaren Bühnensprache fest im regionalen und nationalen Theaterschaffen verankert. Die Truppe um Choreografin Brigitta Luisa Merki startet ihre Jubiläumssaison am 20. September in der Alten Reithalle Aarau.
Im sogenannten Oxer bringt Brigitta Luisa Merki mit «siesta» eine Produktion zur Uraufführung, die auf die faszinierende Atmosphäre des einzigartigen Ortes zugeschnitten ist.
Die Tanzcompagnie Flamencos en route ist an sich schon eine Ausnahmeerscheinung in der schweizerischen Tanzlandschaft. Dass sie seit 30 Jahren kontinuierlich produziert und ihre künstlerische Entwicklung stetig erweitert, grenzt schon ein wenig an Magie. In den 30 Jahren sind 30 abendfüllende Produktionen und unzählige Kurzstücke entstanden. Als international zusammengesetztes Ensemble verbindet Flamencos en route Tänzer, Musiker, Sänger, Literaten und bildende Künstler. Die Kreationen der Hans-Reinhart-Preisträgerin Brigitta Luisa Merki sind Gesamtkunstwerke, die in keine Schublade passen und die dennoch - oder vielleicht auch genau deswegen - ein breites Publikum begeistern.
In musikalischen Schwingungen des warmen Südens eingebettet lassen die Musiker und Tänzer Romanzen, Szenarien und Stimmungen entstehen, die im Gegensatz und Widerspruch zu den realen räumlichen Temperaturen der Alten Reithalle stehen. Die Imagination des Publikums ist gefordert, sich der hypnotischen Kraft einer südlichen Landschaft und der Melancholie eines verträumten Nachmittags hinzugeben. Nicht Glanzvolles, sondern Geheimnisvolles, Verhaltenes und Zartes steht im Raum. Bilder von ersehnten,unwahrscheinlichen Traumgeschenken.
Nach den Vorstellungen in der Alten Reithalle Aarau setzt Flamencos en route die Jubiläumssaison unter dem Motto «y que más !» (na also, von wegen!) mit Kreationen im Kurtheater Baden, im ThiK Baden sowie in der Deutschen Oper Düsseldorf fort.

Vorschau, Aarauer Nachrichten, 12.09.2014