canto amor

Luzerner Zeitung

canto amor im KKL Luzern am 11. November 2012

Bericht Luzerner Zeitung

Luzerner Zeitung, 14.11.2012


Tele M1

Bericht auf TeleM1 vom Samstag, 10. November 2012

«canto amor» im Kurtheater in Baden

Adrian Remund, Bericht / Joël Hunziker, Schnitt, Tele M1, 10.11.2012


Wynentaler

Kritik vom 29. 09. 2012, Aufführung alte Reithalle Aarau PDF

Wynentaler, 29.09.2012


Magazin «Tanz»

 

«Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen lachenden Munds ...», so singt in flirrenden Melismen eine Sopranstimme. Dazu wirbelt stolz der Tod über die dunkle Bühne, gebieterisch und faszinierend wie ein spanischer Grande. In einer der unwahrscheinlichsten Arten von Fusion vereinen sich hier Rainer Maria Rilkes Lyrik und der Flamenco zu einem Werk, das wesentlich näher beim Mythentheater Sidi Larbi Cherkaouis liegt als bei den virtuosen Auftritten eines Joaquin Cortes.

 

Schon lange arbeitet die Schweizer Choreografin Brigitta Luisa Merki mit ihrer Kompanie Flamencos en route an der Dramatisierung des Flamenco. Jetzt erzählt sie in starken, klaren Bildern den Orpheus-Mythos in Rilkes jenseitsorientierter Deutung, ohne je die Erdverbundenheit der spanischen Folklore und ihre Tradition als gemeinschaftlich im Kreis erschaffene Kunst aus den Augen zu verlieren. Die übliche Begleitung, Gitarren und Perkussion, ergänzt Merki durch eine klassische Sängerin und durch die Nyckelharpa, eine schwedische Tastenfiedel.

So verschmelzen alte Instrumente und moderne Klänge, klassischer Gesang und die rauen Klagen des Flamenco, traditionelle und freie Tanzformen. Tanzend lockt die charismatische Algerierin Karima Nayt als Eurydike den Geliebten, singend tröstet sie ihn nach ihrem Tod. Stets begleitet die Nyckelharpa den lebensfrohen Orpheus (Jose Moro), fiedelt gewissermaßen Nymphen und Hirten auf die Bühne und trauert später mit ihm im warmen Licht der jenseitigen Welt, aus der Eurydike, wie in Rilkes Gedichten, nicht mehr zurückkehren will. Bühne, Kostüme und Licht ergänzen mit ihren sanft glühenden Naturfarben die suggestiven, prägnanten Bilder.

Merki verwendet Vokabular und Strukturen des Flamenco, arbeitet vor allem dessen rasante Steigerungen mit verblüffender Wirkung in ihre Dramaturgie ein, in übermütiger, wütender oder dämonischer Färbung. Organisch ergänzt sie die traditionellen Alegrias oder Zapateados durch Sprünge und zärtliche Hebungen, Ornamente werden zur beseelten Geste, Flamenco wird zum Tanztheater. Orpheus' Absätze streicheln leise den Boden und sprechen von seiner Liebe, auch die Arme der Tänzer bewegen sich zeichenhafter, ohne aber je ins Pantomimische zu verfallen. Die Frauen tanzen meist barfuß, in einem modernen, freien Stil, manchmal liegt das gesamte Ensemble am Boden oder fällt in rhythmisches Sprechen.

Die anfangs so ausgelassene Eurydike verwandelt sich durch den Tod zur entrückten, unfassbar gewordenen Figur. Der Tod, grandios getanzt von Eloy Aguilar, bricht als plötzlicher Schrecken mit harten, abgezirkelten Bewegungen in das heitere Fest hinein. Am Schluss ist er keine Bedrohung mehr, sondern ein lockender Verführer, der in dunkler Schönheit triumphiert und dabei offen und freudig, «lachenden Munds» wie bei Rilke, im gemeinsamen Tanz akzeptiert wird.

 

Angela Reinhardt, Magazin «Tanz», 01.08.2012


Stuttgarter Zeitung

 

... Die Geschichte von Orpheus und Eurydike ist bereits vielfach in Tanz und Oper interpretiert worden; man denke nur an Pina Bauschs legendäre Tanztheateradaption....

Kann es da gelingen, hier mit einem ganz eigenständigen Ansatz zu überraschen und zu überzeugen? Es kann. Und das liegt gar nicht mal in erster Linie an der für diese Thematik ungewöhnlichen Form des Flamencotanzes, sondern ganz entscheidend daran, wie Merki unterschiedliche Musikrichtungen sinnfällig und stimmungsvoll in die Erzählung einbindet. Zudem setzt sie einen speziellen inhaltlichen Akzent: Eurydike will nicht ins Leben zurück, sondern im Paradies bleiben.

... Durch das spannungsreiche Zusammenspiel von Tanz und Musik entstehen intensive, atmosphährische, fast unwiderstehliche Bilder. Nicht nur dass Eurydike (Karima Nayt) tanzt und singt, ist dabei aussergewöhnlich. Wie die subtil ins Geschehen integrierten Musiker (zwei Gitarristen, ein Perkussionist, sowie der ein Geigeninstrument spielende Erik Rydvall) und die grossartige Sängerin Eva Nievergelt die sieben Tänzerinnen und Tänzer begleiten, sie mit Stimme und Klang geradezu umgarnen, macht den besonderen Reiz dieses Projekts aus, in dem das Spartenübergreifende tatsächlich mehr ist als nur äusserliche Behauptung.

 

Claudia Gass, Stuttgarter Zeitung, 05.03.2012


Stuttgarter Nachrichten

 

... Ein Pax de deux, so schön wie seine Darsteller, so innig wie die Liebe, die von diesem historischen Paar überliefert ist.

... Zum Weinen schön und in wunderschönen Kostümen von Carmen Perez Mateos interpretiert das Ensemble von Flamencos en route die Geschichte von Orpheus und Eurydike. Nicht nur Orpheus, auch das Premièrenpublikum ist bezaubert vom Gesang der algerischen Künstlerin Karima Nayt . Und nicht nur Eurydike lässt sich vom werbenden, hingebungsvollen Tanz ihres Orpheus beeindrucken – José Moro ist ein hoch professioneller Flamencotänzer, dessen Stolz das Publikum in Bann schlägt.

... Und Moro hat ein zweites, so sanftes wie feuriges musikalisches Ich, den Schweden Erik Rydvall. Rydvall bringt die Nyckelharpa, ein mittelalterliches Geigeninstrument, ins Spiel. Brigitte Luisa Merki, die künstlerische Leiterin der Schweizer Tanzcompagnie, ist bekannt dafür, dass sie dem traditionellen Flamenco ein zeitgenössisches Auftreten verpasst.....

... Weltmusik im besten Sinne entsteht, wenn Flamencogitarren, Nyckelharpa, Cajon, andalusischer, orientalischer und zeitgenösisch-klassischer Gesang (dieses Mal dabei: Eva Nievergelt) fusionieren. Jetzt deutet die Schweizerin nicht nur traditionelle Tanz- und Musiksprachen, sondern auch den tragischen Mythos der griechischen Antike neu. Von Rainer Maria Rilke inspiriert, braucht Brigitta Luisa Merkis Protagonistin nach ihrem Tod nicht mehr auf Erlösung zu hoffen. “Im himmlischen Lachen, dem Paradies, angekommen“ (Merki), ist ihre Stärke so gross, dass auch Orpheus – nach der Trauer gereift – ohne sie ein neues Erdenleben beginnt.

... Eloy Aguilar in der Rolle des Todes zu besetzen ist grandios. Elegant, dominant, majestätisch trumpft Aguilar auf dem Flamenco-Spezialboden auf, rafft die Rockschösse zum kaskadischen Faltenwurf, knallt Synkopen aus den Schuhen, füllt die Bühne mit seinem grandiosen Solo ...

 

Brigitte Jähnigen, Stuttgarter Nachrichten, 05.03.2012


Esslinger Zeitung

 

Eurydike will nicht zurück

Der Orpheus-Mythos mit Flamencos en route im Stuttgarter Theaterhaus

Man kennt ja die Begeisterungsstürme für Tanz im Stuttgarter Theaterhaus, aber einen so spontanen, einhelligen Jubelschrei hat sich selbst Gauthier Dance noch nicht ertanzt. Mit ihrer großartigen Deutung des Orpheus-Mythos, einem Tanztheater in starken, poetischen Bildern von Brigitta Luisa Merki, gastiert die Schweizer Kompanie Flamencos en route jetzt zwei Wochen lang in Stuttgart.

Im Grunde ist «Orpheus. Eurydike. Das Paradies» eine musiktheatralische Inszenierung, verschmelzen hier doch folkloristischer und Operngesang, alte Instrumente und moderne Klänge, Flamenco und freie Tanzformen. Ähnlich wie der choreografische Weltbürger Sidi Larbi Cherkaoui – und doch einfacher, eher erdverhaftet als intellektuell-verspielt – lässt Merki aus einer Fusion der verschiedensten Stile und Epochen ein neues Mythentheater mit einer klaren Symbolsprache entstehen, dominiert zwar vom tänzerischen Vokabular des Flamenco, in seiner Aussagekraft aber weit über dessen Stimmungsgebundenheit und Virtuosität hinausreichend.

Das übliche musikalische Spektrum des Flamenco – Gitarren, Percussion und Gesang – wurde deutlich erweitert, zum Beispiel um die Nyckelharpa, eine schwedische Tastenfidel, die den Sänger Orpheus begleitet, oder um die Melismen der klassischen Sängerin Eva Nievergelt. Geheimnisvoll kontrastiert ihre Stimme mit dem dunklen, rauen Gesang der algerischen Tänzerin Karima Nayt, die als Eurydike ihren Orpheus tanzend bezaubert und singend tröstet.

 

Fest der Nymphen

Abstrakte Felsen begrenzen die quadratische Tanzfläche nach hinten, vier niedrige Stelen zur Seite. Ein atmosphärisches Licht durchflutet alle Stationen der 75-minütigen Erzählung, vom frühlingsbunten Fest der Nymphen zu den dunklen Wassern des Styx bis ins warme Orange der jenseitigen Welt, aus der Eurydike gar nicht mehr zurückkehren will. Denn Merki orientiert sich an Rainer Maria Rilkes Interpretation des Mythos, zeigt die anfangs lebensfrohe Eurydike als durch den Tod verwandelte, fast engelhafte Figur. Der Tod, grandios getanzt von Eloy Aguilar, wirbelt zwar dominant und erschreckend in das heitere Fest hinein, aber er ist keine bedrohliche Figur, sondern ein lockender Verführer in seinem dunklen Mantel.

Während die Männer, auch der südländisch-lebensfrohe Orpheus (José Moro) sich mit klackernden Absätzen und stolzer Haltung vor allem der Mittel des Flamenco bedienen, tanzen die Frauen meist barfuß, in einem modernen, freien Stil. Die vielen Hebungen und weiten Sprünge kennt der Flamenco eigentlich nicht, manchmal liegt gar das gesamte Ensemble am Boden. Dennoch zieht die Choreografin genau wie im spanischen Nationaltanz immer wieder das Tempo in rasanten Steigerungen an, und stets macht diese Dynamik die Handlung nur noch spannender.

Merki vermag dem Flamenco immer wieder andere Färbungen zu geben – von der ländlichen, unschuldigen Fröhlichkeit der Nymphen bis zur harten, abgezirkelten Düsternis des Todes, der in langsamen, prägnanten Drehungen triumphiert und sich dann in einen rasenden Wirbel steigert. Sogar das Lamento des trauernden Orpheus um seine Geliebte lässt sich mit den feinen Handbewegungen des spanischen Tanzes ausdrücken. Ohne ins Pantomimische zu verfallen, erzählt Merki von Liebe, Trauer und Verklärung, zeigt sogar das Verbot des Sprechens im Reich des Todes und beweist damit, dass man in einer eigentlich rein virtuosen, stark formalisierten Tanzform erzählen kann - manchmal wünschte man sich, Christian Spuck könnte das sehen, dem genau das in seinem «Fräulein von S.» nicht gelingt.

Mitten aus den spanischen Gitarren-Klängen erhebt sich gegen Ende die fast unirdische Stimme der Sopranistin mit einem Rilke-Gedicht: «Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen lachenden Munds ...» – fast klingt die Musik der vier großartigen Instrumentalisten hier nach Gustav Mahler. Am Schluss triumphiert der Tod in dunkler Schönheit, alle kommen dazu und tanzen mit ihm voller Lust, akzeptieren ihn offen und freudig.

Angela Reinhardt, Esslinger Zeitung , 05.03.2012